Donnerstag, 31. Mai 2012

Auch eine Frage des Marketings: Was macht Wind- oder Solarparks "schön"?

Wer viel Bahn fährt, sieht viel Energiewende. Ich fahre viel Bahn.

Besonders auf mir wohlbekannten Bahnstrecken entdecke ich immer mehr stolze Windräder, glänzende Solaranlagen oder knuffige Biomasse-Anlagen. Mir scheint, ständig kommen neue hinzu - der Anblick wird langsam ein alltäglicher. Und doch lege ich manchmal das Buch aus der Hand und schaue aus dem Fenster, um diesen Anblick zu genießen. Und oft frage ich mich, warum so viele andere diese Schönheit bestenfalls gar nicht erkennen, schlimmstenfalls das Gegenteil empfinden.

In einem früheren Blogbeitrag hatte ich mich mit diesem Thema schon einmal beschäftigt - und damals die Frage gestellt, ob es dem ästhetischen Empfinden - und damit der Akzeptanz - auf die Sprünge helfen würde, wenn die Windräder künstlerisch gestaltet oder/und optisch harmonisch in die Umgebung eingefügt würden.
Heute lese ich einen Artikel im "Freitag" und frage mich etwas ganz anderes:

Ist es nicht so, dass wir dann etwas als schön ansehen, wenn uns das Betrachtete innerlich angenehm berührt? Fehlt den Menschen, die Wind- oder Solarparks eher als hässlich empfinden, vielleicht ein persönlicher, ein positiv emotionaler Zugang zu den Bauwerken?

Jörg Friedrich, der Autor des Freitag-Artikels, fragt sich eher, ob wir Dinge erst dann schön finden können, wenn sie für uns unnütz geworden sind - so wie wir heute Industriedenkmäler bewundern, die wir früher, in deren Nutzphase, kaum unter ästhetischen Gesichtspunkten betrachtet - und erst recht nicht als schön empfunden - haben. Schließlich machten die Dinger Lärm, schlechte Luft und trübe Sicht oder verunreinigten Boden und Gewässer. Das kann man doch nicht als schön empfinden...

Oder doch? Hatten vielleicht diejenigen, die darin tagein und tagaus gearbeitet haben, einen ganz anderen Blick darauf? Weil sie eine innere, emotionale Beziehung zu "ihrer" Fabrik hatten, weil sie ihnen den Lebensunterhalt sicherte? Vielleicht haben sich die Beschäftigten nie die Frage gestellt, ob sie ihre Fabrik schön finden - aber das heißt ja nicht, dass sie sie deshalb als hässlich empfunden haben.

Aus heutiger Sicht können wir Industriedenkmäler schön finden, weil sie keine unerwünschten Nebenwirkungen mehr haben und nur noch dafür sind, betrachtet zu werden, Geschichten zu erzählen oder den Fortschritt zu erklären - uns also in irgendeiner Weise positiv emotional zu berühren.

Was heißt das nun für Wind-, Solar- oder Biomasse-Anlagen? Müssen wir - wie es sich der Autor im "Freitag" fragt - erst warten, bis die Dinger unnütz geworden sind, bevor wir alle sie schön finden können?

Nein, darauf können wir nicht warten. Denn das ästhetische Empfinden hat immer auch etwas mit der Akzeptanz zu tun und eine erfolgreiche Energiewende braucht eine breite Akzeptanz.

Und wenn wir nicht warten können, müssen wir aktiv werden. Aktiv werden heißt für mich, auch die Menschen, die nicht unmittelbar (finanziell) von einer Anlage profitieren, emotional zu berühren. Damit bin ich wieder bei meinem Lieblingsthema angekommen: Lasst uns gemeinsam und stetig daran arbeiten, die Menschen für Erneuerbare Energien zu begeistern. Es reicht nicht, in Umfragen immer und immer wieder bestätigt zu bekommen, dass eigentlich alle die Erneuerbaren Energien irgenwie toll finden. Ich plädiere dafür, die Debatte um die EEG-Umlage offensiv zu führen und dabei deutlich zu machen, dass die Windräder sich drehen, weil jede/r Einzelne von uns einen Beitrag zu deren Finanzierung leistet. Ja, dass ohne uns alle die Energiewende gar nicht möglich wäre. Danke dafür!!!

In diesem Sinne: Es ist auch eine Frage des Marketings, ob Wind- oder Solarparks als schön empfunden werden.


Hier findet eine interessante öffentliche Debatte zu diesem Thema statt >>

Montag, 21. Mai 2012

Wirtschaft mit Zukunft - Die Kunst des (Über)Lebens

Hinter mir liegen ein paar inspirierende, motivierende und zur Nachdenklichkeit anregende Tage: Von Donnerstag bis Samstag war ich auf dem Vision Summit 2012 in Potsdam. Dieser "Visionsgipfel" hatte vordergründig nichts mit Erneuerbaren Energien zu tun (auch wenn beschlossen wurde, den nächsten Gipfel um die Themen Ressourcen und Energie zu erweitern) - wir diskutierten drei volle Tage lang (Nachhaltigkeits)Strategien im sozialen Bereich. Und ich war im Rahmen meines sozialokalen Netzwerk-Projekts civitano dabei.

Am dritten Konferenztag hatte ich das Vergnügen, David Bosshart, Trendforscher und CEO des Züricher Gottlieb Duttweiler Institute (GDI) und Autor des Bestsellers «The Age of Less», live zu erleben. In seinem Vortrag hielt er ein flammendes Plädoyer im Sinne seines Buchs, dem "Umstieg ins Zeitalter der Genügsamkeit". Er bietet Lösungsansätze, um
  • weniger und besser zu arbeiten und zu konsumieren,
  • weniger die Umwelt zu verschmutzen und Raubbau an der Gesundheit zu treiben,
  • weniger Medienoverkill zuzulassen,
  • und am Ende mehr davon zu haben und besser zu leben.
Besonders viel Beifall erhielt er für seine 10 Regeln für die Wirtschaft (bzw. das Wirtschaften) mit Zukunft. Da ich mir keine der Regeln merken konnte (und der Herr zum Mitschreiben zu schnell geredet hat), habe ich später recherchiert und ein Video gefunden, in dem er (ab Minute 4:00) seine 10 Regeln zum Besten gibt:


Für alle, die lieber lesen statt Video schauen, habe ich seine Regeln (mit meinen eigenen Worten) unten aufgeschrieben. Ich habe dort einiges gefunden, das mich zum Nachdenken anregt - gerade auch mit Blick auf die angespannte Lage im Erneuerbare-Energien-Sektor, insbesondere in der Solarbranche. 

Für alle diejeinigen, für die es noch nicht zu spät ist - und das ist ja hoffentlich die deutliche Mehrheit - enthalten die folgenden Sätze vielleicht auch den einen oder anderen neuen Blickwinkel, aus dem heraus es sich lohnen könnte, das eigene Unternehmen einmal zu betrachten:
  1. Wenn wir behaupten zu wissen, wie alles funktioniert, haben wir verloren - wir müssen stattdessen immer wieder einen neuen Anfang suchen.
  2. Wenn wir uns am "Normalen" orientieren - daran, was alle tun - werden wir austauschbar und ersetzbar.
  3. Kreativität geht über Geld - bleiben wir empfänglich für Inspiration und Wandel in einer Welt, in der es kaum noch Massenmärkte geben wird. Das schafft Vertrauen, Loyalität und langfristige Beziehungen, die wir weiterentwickeln können.
  4. Wir tun gut daran, immer wieder zu fragen "Wie und mit wem können wir teilen - Wissen, Information, Beziehungen - um gemeinsam besser, schneller und effizienter mit Ressourcen umgehen zu können?" statt zu fragen "Wie kann ich das meiste allein für mich herausholen?"
  5. Seien wir flexibel und mobil, ohne uns selbst zu verleugnen.
  6. "Märkte sind Gespräche" (vgl. "Cluetrain-Manifest") - je besser wir Gespräche führen können, desto besser können wir emotional überzeugen.
  7. Wir müssen "soziales Kapital" bilden. D.h.: Schauen, mit wem wir uns - in Familie, Freundes- und Geschäftsbeziehungen - vernetzen müssen, um gemeinsam das Glücksgefühl zu erleben und den Gewinn zu steigern.
  8. Folgen wir dem Trend zum Teilen. Die Möglichkeiten zum Teilen werden durch die neuen technologischen Entwicklungen rasant vermehrt, Teilen wird effizienter, einfacher und kostengünstiger. Was wir teilen, müssen wir nicht mehr kaufen und nicht mehr entsorgen.
  9. Bemühen wir uns darum, die Technologien wenigstens rudimentär zu verstehen - es gibt Programmierer und Programmierte. Nur wenn wir die Prinzipien im Ansatz verstehen, haben wir eine Grundlage, etwas zu entscheiden, abzulehnen oder anzunehmen.
  10. Reflektieren wir sorgfältig die Regeln 1 bis 9.
In diesem Sinne: Üben wir uns in der Kunst des (Über)Lebens. Viel Erfolg beim erfolgreichen Wirtschaften!