Montag, 28. Januar 2013

"Strompreis-Sicherung": Altmaier erklärt Eigenverbrauch von Ökostrom zu unsolidarischem Tatbestand

So, nun also doch. Gestern konnte sich Bundesumweltminister Altmaier nicht vorstellen, noch vor der Bundestagswahl  größere Änderungen am EEG vorzunehmen, heute legt er eine so genannte "Strompreis-Sicherung" vor, die das EEG in seiner jetzigen Form auf den Kopf stellt.
"Ich halte es nicht für wahrscheinlich, dass wir es schaffen, den großen Konsens, den wir brauchen, die Komplettreform des EEG, bis zur Bundestagswahl so über die Rampe zu hieven, dass eine funktionierende Lösung vorhanden ist" (Altmaier öffentlich am 23.01.2013)
Nun sind die heute von Altmaier vorgelegten Vorschläge nicht als "Komplettreform" formuliert,  die einzelnen wenigen Spiegelstriche seiner "Strompreis-Sicherung im EEG" wirken rein optisch recht harmlos. Wer sich die Punkte jedoch genauer anschaut, wird schnell feststellen, dass hier das EEG nicht reformiert, sondern - schlimmer noch - regelrecht zerschossen wird. Falls Altmaiers Vorschläge von der Regierung beschlossen werden, hieße das:
  • Die EEG-Umlage wird gedeckelt.
  • Investoren von neuen EEG-Anlagen erhalten eine Einspeisevergütung womöglich erst "eine bestimmte Anzahl von Monaten" später (bis "das EEG-Konto wieder ausgeglichen ist").
  • Betreiber von Bestandsanlagen zahlen künftig einen „Energie-Soli“ in Form einer "geringen und vertretbaren Vergütungskürzung".
  • Stromintensive Betriebe zahlen künftig eine höhere Mindestumlage, die begünstigte Gesamt-Strommenge wird gedeckelt (ist aber nicht so schlimm, sagt Altmaier, weil ja die Börsenstrompreise sinken).
  • Die Eigenstromerzeugung bzw. der Eigenstromverbrauch wird mit einer Mindestumlage belastet.
Nun könnte ich mich stundenlang mit diesen Vorschlägen und den Erläuterungen des Ministers beschäftigen. Tue ich aber nicht, denn erstens soll es hier lesbar bleiben und zweitens gibt es eine Menge anderer Fachleute, die sich ebenfalls mit der "Strompreis-Sicherung" beschäftigen (eine Auswahl aktueller Beiträge siehe unten).

Ich konzentriere mich hier auf das Thema, über das ich mich am meisten aufgeregt habe - die Mindestumlage für Eigenstromerzeugung bzw. Eigenstromverbrauch. Zunächst mal die Aussagen dazu im Originalsprech aus Altmaiers Papier (dann wird wahrscheinlich schnell klar, warum ich mich so aufrege):
Die Eigenstromerzeugung bzw. der Eigenstromverbrauch wird ebenfalls mit einer Mindestumlage belastet, um eine weitere Entsolidarisierung bestimmter Stromverbraucher zu verhindern. Dabei ist zu unterscheiden zwischen Altfällen (bei denen Übergangslösungen geboten sind) und neuen Tatbeständen. Grundsätzlich sollen alle Stromverbraucher, auch diejenigen, die ihren Strom selbst produzieren und verbrauchen, an der Finanzierung der Energiewende in einem vertretbaren Umfang beteiligt werden.  
Entsolidarisierung? Altfälle? Tatbestände? Bitte, wie kommt es zu dieser Wortwahl? Eine Wortwahl, die ein Schlag ins Gesicht ist derjenigen, die sich solidarisch mit dem Ziel "Energiewende" und dem Bestreben nach einer lebenswerten Zukunft auch der kommenden Generationen erklären. Ein Schlag ins Gesicht derjenigen, die ihr Geschäftsmodell an alle bisherigen EEG-Änderungen angepasst haben und massiv in die Entwicklung von Eigenverbrauch und Speicherlösungen investiert haben. Ja, okay, Geld wird auch damit verdient. Aber der Nutzen aus dieser Entwicklung - z.B. möglichst viele dezentrale Kleinkraftwerke, Unabhängigkeit von den großen Stromversorgern, gesellschaftliche Vorbildfunktion, etc. - scheint mir doch zumindest so groß zu sein, dass ich den Begriff "Tatbestand" und die damit unweigerlich verbundene Assoziation "Verbrecher" schwer daneben finde.

Wir erinnern uns: Es ist noch gar nicht so lange her, dass es für selbsterzeugten und -verbrauchten Ökostrom sogar noch einen Eigenverbrauchsbonus gab. Ein Bonus für unsolidarisches Verhalten? Der nächste Schritt war die Streichung des Bonus - weil man erkannt hatte, dass selbsterzeugter Strom nun bereits auf dem Weg zur Wettbewerbsfähigkeit war und mit dem Strompreis der Energieversorger konkurrieren konnte. Ein Tatbestand, für den die Regierung nun betrafen muss?

Besonders dreist finde ich die Forderung, "diejenigen, die ihren Strom selbst produzieren und verbrauchen, an der Finanzierung der Energiewende in einem vertretbaren Umfang" zu beteiligen. Aha. Und wer zahlt die Investitionskosten, die eine Anlage zur Beförderung der Energiewende erfordert? Oder soll diese Mindestumlage doch eher dazu dienen, das (noch) notwendige Vorhalten von Energie aus konventioneller Erzeugung mitzufinanzieren? Davon profitieren natürlich auch die Eigenversorger - jedenfalls dann, wenn sie nicht zu 100% Selbstversorger sind. Dann muss man das aber auch so benennen: Das wäre keine Mindest-EEG-Umlage sondern ein Unterstützungsbeitrag für die konventionellen Energieträger. Darüber eine Debatte zu führen, wäre sinnvoll. Schuldzuweisungen wie diese hier machen eine vernünftige Diskussion aber so gut wie unmöglich.

Mit ihrer Beschimpfung der Eigenerzeuger und -verbraucher macht die CDU in der Bundesregierung klar, wo der Feind sitzt: In den Einfamilienhäusern und Unternehmen, die die Verantwortung für die Energiewende/Zukunft übernommen und die Sache bereits direkt angepackt haben. Der Feind sind also die aktiven Bürger/innen, die nicht auf die Entscheidungen der Politik warten sondern selbst etwas tun. Die Freunde sitzen in den Zentralen der Großversorger.

Mein einziger Trost: Von den vorgeschlagenen Maßnahmen zur Strompreis-Sicherung sind auch viele der so genannten Konservativen betroffen. Und wie wir gerade kürzlich in Niedersachsen (wieder einmal) gesehen haben: Wähler wandern. Und Wählerinnen auch.


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Hier eine (eher zufällige) Auswahl anderer heute erschienener Kommentare zur Strompreis-Sicherung von Umweltminister Altmaier (wer in diese Liste aufgenommen werden möchte, kann mir den Link per eMail oder hier als Kommentar gern zusenden):

Tina Ternus, Mitgründerin des "photovoltaikbüros": "Wie dreht man eine öffentliche Meinung um?"
Dr. Fabio Longo (EUROSOLAR) auf energy.net: "Energiewende rückwärts ist in vollem Gang"

energie-experten.org: "Massive Kritik an Altmaiers Strompreis-Sicherung"
n-tv: "Altmaier eröffnet den Wahlkampf"  (Zitat: Die härteste Kritik am Altmaier-Vorhaben formulierte der CSU-Umweltpolitiker Josef Göppel. "Das Konzept liest sich wie eine Aufforderung, rot-grün zu wählen, um die Energiewende nicht auszubremsen", sagte Göppel in einer Mitteilung.)

Deutscher Bauernverband zu den Vorschlägen von Umweltminister Altmaier: "EEG-Änderung bringt Verunsicherung anstatt neuer Perspektiven"

ENERGIE-SOLI”: ALTMAIER SORGT FÜR GESPRÄCHSSTOFF | MILK THE SUN – BLOG (schöne Zusammenstellung von ganz unterschiedlichen Kommentaren zu Altmaiers Vorstoß)


Handelsblatt: "Altmaiers Pseudolösung" - (Zitat: ...berechenbare, glaubwürdige Energiepolitik sieht anders aus. Das schadet am Ende allen.)

BUND: "Erneuerbare Energien dürfen nicht abgewürgt werden. Altmaier darf Strompreisdebatte nicht zur Aushöhlung des EEG missbrauchen"


tagesschau.de: "Altmaier taktiert zulasten der Energiewende" (Zitat: ... wenn das Realität wird, dann ist Schluss mit Energiewende ...

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